Erwachsene Schwester

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Hallo, ich wende mich heute mit einer Frage betreffend meiner Schwester (21) an euch. Sie wohnt mit ihrem Freund zusammen und studiert - zumindest im Distance Learning seit 1 Jahr. Ich selbst bin 33 und wohne mit Mann und Kind im Nachbarort.

Seit einigen Monaten nimmt sie stetig ab und sieht schon wirklich ungesund aus. Sie war schon beim Hausarzt um gesundheitlich alles auszuschließen. Sie war auch bei einer Psychiaterin, die ihr anorektischer Züge diagnostiziert und zu einer Therapie geraten hat. Außerdem hat sie leichte Antidepressiva verschrieben bekommen.

Seitdem hat meine Schwester allerdings nichts weiter unternommen. Sie wird immer unzuverlässiger, schläft tagsüber stundenlang ein, vergisst Termine, kommt immer nur kurz auf Besuch, nimmt kein Essen an (nicht einmal ein Stück Kuchen) etc.

Jedes Gespräch verläuft oberflächlich, ich weiß nicht mehr, wie ich sie ermutigen könnte eine Therapie zu beginnen. Unsere Mama ist schon ziemlich verzweifelt, weil alles was sie sagt nach hinten los geht.

Wir machen uns wirklich schon Sorgen, dass ihr Körper das bald nicht mehr mitmacht (41 kg bei ca 160cm). Ihr Freund sieht das nicht so dramatisch, deshalb ist es auch schwierig zu hoffen, bin seiner Seite Unterstützung zu erwarten - obwohl er am nächsten dran wäre...

Welche Art der Unterstützung kann ich als Schwester bieten, ohne sie bevormunden zu wollen?

 

Danke schon mal, LG K.

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Hallo,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Wir lesen aus Ihrer Nachricht heraus, dass Sie sehr besorgt um das Wohl Ihrer Schwester sind und sie bestmöglich unterstützen wollen.

Ihre Schwester hat bereits erste Schritte in die richtige Richtung gemacht, indem organische Ursachen für ihren Gewichtsverlust ausgeschlossen wurden und sie bereits in psychiatrischer Behandlung ist. Vielleicht besitzt sie zurzeit nicht die Energie, um die Initiative zu ergreifen und eine Psychotherapie zu beginnen.

Wir entnehmen Ihrer Nachricht, dass Sie bereits versucht haben, Ihre Schwester zu einer Psychotherapie zu ermutigen. Sie wird erst ins Tun kommen, wenn gewisse Vorbedingungen gegeben sind: Leidet sie unter ihrem zwanghaften Essverhalten? Hat sie erkannt, dass sie ein Problem hat? Hat sie das Gefühl, ihr Essverhalten alleine nicht mehr in den Griff zu bekommen? Möchte sie etwas daran ändern? Woran liegt es, dass sie sich trotz Empfehlung der Psychiaterin noch in keine psychotherapeutische Behandlung begeben hat?

Bitte rechnen Sie damit, dass es viel Zeit und Geduld auf Ihrer Seite braucht, bis es zu einer psychotherapeutischen Behandlung kommt. Bieten Sie Ihrer Schwester immer wieder ein Gespräch und Ihre Hilfe an und teilen ihr auf wertschätzende Weise mit, dass Sie ihre Sicht der Dinge verstehen möchten. Sie sollten vermeiden, ihr Essverhalten zu hinterfragen und dabei mit Logik argumentieren zu wollen. Es ist in Ordnung, wenn Ihre Schwester nicht darüber reden möchte.

Zeigen Sie bei Gelegenheit auf, was Ihre Schwester gegen die Essstörung tun kann und unterstützen Sie sie dabei, wenn sie etwas ändern möchte. Anonyme Beratungen können von Betroffenen als hilfreich wahrgenommen werden. So steht die Hotline für Essstörungen für Fragen und Informationen rund um das Thema Essstörungen und krankhaftes Essverhalten unter 0800 20 11 20 oder per E-Mail an hilfe@essstoerungshotline.at zur Verfügung. Zudem kann sie auch unsere Beratungshotline intakt on phone in Anspruch nehmen (montags 18-20 Uhr unter 0676 938 04 89).

Wir wissen, dass eine Essstörung die gesamte Familie belasten kann und es frustrierend ist, selbst nicht allzu viel zur Genesung beitragen zu können. Außer, dass Sie dranbleiben an der Beziehung und auch ein Verständnis kundtun, dass das Essen bzw. Nichtessen momentan eine Art Bewältigungsstrategie ist, für was auch immer gerade sehr belastend für Ihre Schwester ist. Hilfreich kann es sein, dass Sie dem Freund Ihrer Schwester bewusst machen, dass Ihre Sorgen, die Sie als Familie haben, begründet sind. Ein klärendes Gespräch, warum ihr Freund die Situation als nicht so dramatisch empfindet, kann Ihnen womöglich zusätzliche Informationen verschaffen. Außerdem kann es notwendig sein, schwerwiegende Konsequenzen wie einen stationären Aufenthalt aufzuzeigen und die Unterstützung mit Nachdruck einzufordern.

Je besser Sie sich über eine Essstörung informieren, desto leichter mag es Ihnen fallen, Ihre Schwester und ihre Verhaltensweisen zu verstehen. Sofern Sie sich Unterstützung holen, zum Beispiel bei einer Beratungsstelle oder spezialisierten Psychotherapeutin, lassen Sie es Ihre Schwester wissen. Sie soll nicht das Gefühl haben, „hintergangen“ zu werden, sondern es wird ihr letztlich gut tun, dass die Familie  sie unterstützen will.

Ganz allgemein ist zu sagen, dass wir alle gerade eine sehr herausfordernde Zeit erleben und der Zusammenhalt in einer Familie besonders wichtig ist. Aber Achtung, wenn zu viel – wenn auch liebevoller – Druck gemacht wird, wird Ihre Schwester nur mit Gegendruck reagieren.

Sollten Sie mit uns über Ihre konkreten Möglichkeiten sprechen und einen fachlichen Rat einholen wollen, stehen wir Ihnen gerne im Rahmen eines Beratungsgesprächs zur Verfügung. Eine Terminvereinbarung ist über die intakt-Website oder telefonisch unter 01 22 88 770 möglich.

Alles Liebe,

das intakt Team